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SG Leipzig: Bei faktischer Duldung durch Behörden dürfen
existenzsichernde Leistungen für Asylbewerber nicht abgesenkt
werden
zu SG Leipzig, Beschluss vom 02.12.2016 -
S 5 AY 13/16 ER -
http://dejure.org/2016,48680
(Die Sache ist eilbedürftig, da das Existenzminimum der
Antragsteller nicht gesichert ist.)
Asylbewerbern sind auch dann existenzsichernde Leistungen in
vollem Umfang zu gewähren, wenn sie in einem anderen EU-Staat
internationalen Schutz genießen, ihr weiterer Aufenthalt in der
Bundesrepublik aber faktisch geduldet wird. Das hat das
Sozialgericht Leipzig mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss
vom 02.12.2016 entschieden (Az.: S 5 AY 13/16 ER).
Zahlungen vom Landkreis gekürzt
Die Antragsteller, eine Mutter mit ihren beiden minderjährigen
Söhnen, sind russische Staatsangehörige und reisten über Polen in
die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre Asylanträge wurden vom
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig abgelehnt,
weil Polen aufgrund der zuvor dort gestellten Asylanträge für
deren Behandlung zuständig sei. Nach einer zwischenzeitlichen
Abschiebung nach Polen im April 2016 reisten die Antragsteller
umgehend wieder in die Bundesrepublik ein und bezogen zunächst
Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von
insgesamt 1.363,61 Euro monatlich. Ihre Abschiebung war noch bis
zum 03.01.2017 ausgesetzt (Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1
AufenthG). Unter Hinweis auf den in Polen bestehenden Schutz
wurden durch den zuständigen Landkreis nachfolgend Leistungen
gemäß § 1a Abs. 4 AsylbLG auf bis zu 1.001,53 Euro monatlich
gekürzt. Hiergegen richtet sich das von den Antragstellern
betriebene gerichtliche Eilverfahren.
Antragsteller unstreitig dem Grunde nach leistungsberechtigt
Das SG ordnete mit Beschluss vom 02.12.2016 die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs gegen den Kürzungsbescheid an, so dass
den Antragstellern bis zu einer Klärung in der Hauptsache wieder
die vollen Leistungen nach dem AsylbLG zustehen. Zur Begründung
stellte das Gericht darauf ab, dass die Antragsteller unstreitig
dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem AsylbLG seien, da sie
eine Duldung nach dem AufenthG besäßen. Ob die Voraussetzungen für
die Gewährung nur gekürzter Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG
vorlägen, sei derzeit noch offen. Der Landkreis habe nämlich nicht
nachgewiesen, dass sich Polen nach wie vor dazu verpflichtet sehe,
den Antragstellern internationalen Schutz und ein damit
verbundenes Aufenthaltsrecht einzuräumen.
Gericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung
Darüber hinaus bestünden Zweifel daran, ob die Einschränkung nach
§ 1a Abs. 4 AsylbLG verfassungsgemäß sei. Der Anspruch eines jeden
Menschen auf die Sicherung seines Existenzminimums ergebe sich aus
dem Grundgesetz, wobei nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BeckRS 2012, 71078) eine Relativierung
dieses Anspruchs aus migrationspolitischen Überlegungen nicht in
Betracht komme. Solange also – wie hier – der tatsächliche
Aufenthalt in Deutschland von den zuständigen Behörden faktisch
geduldet werde, müssten existenzsichernde Leistungen in vollem
Umfang gewährt werden.
Quelle:
http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/sg-leipzig-leistungen-fuer-asylbewerber-duerfen-nicht-wegen-schutz-in-anderem-eu-staat-abgesenkt-werden