LSG NRW, Beschluss vom 13.5.2015 (L 12 AS 573/15 B ER u. L 12 AS
574/15 B);
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=177762&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II trotz Wohnsitzauflage für
einen anderen Aufenthaltsort für Person mit AE § 25 Abs. 2, 2. Alt.
(subsidiärer Schutz).
"Die Nebenbestimmung des Aufenthaltstitels - für die weitere Prüfung
unterstellt, eine solche Nebenbestimmung sei dem Grunde nach
zulässig - ist nicht wirksam. Denn die Nebenbestimmung ist ein
eigenständiger Verwaltungsakt, der isoliert anfechtbar ist. Der
erfolgte Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.02.2015 der Stadt M
im Hinblick auf die Nebenbestimmung "Wohnsitznahme Sachsen" hat eine
aufschiebende Wirkung zur Folge. (...)
Dessen Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB II an die
Antragstellerin ergibt sich aus § 36 Sätze 1, 2 und
4 SGB II. Nach dieser Vorschrift ist örtlich zuständig die Agentur
für Arbeit bzw. der kommunale Träger, in dessen Gebiet die
erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen
Aufenthalt habe, wobei im Zweifel auf den tatsächlichen Aufenthalt
abzustellen sei, § 36 S. 4 SGB II.
Auch im Rahmen von § 36 SGB II ist der
Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I
(einheitlich) zu bestimmen. Nach dieser Bestimmung hat die
Antragstellerin nicht nur ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland, sondern auch in E, also im Zuständigkeitsbereich des
Antragsgegners, begründet. Denn sie lebt dort mit ihrem religiös
angetrauten Ehemann in der L Straße, E. Sie erwarten ihr gemeinsames
Kind. Die Antragstellerin hat auch den Willen, sich dort dauerhaft
niederzulassen. Die örtliche Zuständigkeit knüpft allein an den
gewöhnlichen Aufenthalt an, ohne dass es auch hier auf den
möglicherweise ordnungsrechtlichen Verstoß gegen die Wohnsitzauflage
ankommt (vgl. Aubel, in: jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 36 Rn.
15 und 18 m. w. N.). Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte,
dass es an einem gewöhnlichen Aufenthalt fehle, weil die
Ausländerbehörde gegebenenfalls berechtigt sei, den Wohnsitz der
Antragstellerin zwangsweise nach Sachsen zu verlegen, also nicht zu
erwarten ist, dass die Antragstellerin sich dauerhaft in E aufhält,
so ist der Antragsgegner jedenfalls nach § 36 Satz 4 SGB II
zuständig, denn die Antragstellerin hält sich tatsächlich in E auf
und das im Übrigen wohl berechtigt, denn es ist allein die
Wohnsitznahme, nicht aber der Aufenthalt, auf Sachsen beschränkt.
Aus diesen genannten bereits durchgreifenden Gründen im Hinblick auf
das Vorliegen des Anordnungsanspruchs, verzichtet der Senat auf eine
Folgenabwägung, die hier auch zugunsten der Antragstellerin ausgehen
müsse. Denn sie ist nicht in der Lage, "einfach" - wie es die 1.
Instanz im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses ausführt - ihren
Wohnsitz, zurückzuverlegen. Die Antragstellerin ist bereits seit
16.08.2014 in E gemeldet. Ihre Wohnung in M gab sie zum 31.10.2014
auf. Sie erwartet mit ihrem religiös angetrauten Ehemann im August
dieses Jahres ihr gemeinsames Kind."
--
Claudius Voigt
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