Liebe Kolleg*innen,
der Bundesrat hat im Dezember 2016 einer geplanten Änderung (im
wesentlichen: Verschlechterung) des AsylbLG nicht zugestimmt.
Daher bleiben die bisherigen Regelungen des AsylbLG bis auf
weiteres auch in diesem Jahr gültig, bis nach Anrufen des
Vermittlungsausschusses eine Gesetzesänderung in Kraft treten
wird. Dies
hat das Bundessozialministerium mitgeteilt. Das bedeutet
jedoch auch, dass wir nun bis auf weiteres wieder eine nicht sach-
und realitätsgerecht festgesetzte Regelsatzhöhe haben, da die
Bedarfe weder nach der aktuellen Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe berechnet worden sind, noch eine turnusmäßige
Erhöhung stattfindet.
Ein paar Hinweise dazu:
- Die Höhe der AsylbLG-Regelsätze bleibt bis auf
weiteres unverändert wie 2016. Erst mit (dem bislang
nicht absehbaren) Inkrafttreten der Gesetzesänderungen werden
die Regelbedarfe geändert, wobei die dann geltenden Regelungen
im Detail noch unklar sind. Es bleibt also zunächst hierbei:
- Personen, die keine Partner*innen sind, aber gemeinsam
in einem Zimmer (z. B. einer Gemeinschaftsunterkunft) leben,
müssen jeweils in Regelbedarfsstufe 1 eingeordnet
werden. Hier ist jede einzelne Person als "alleinstehend" zu
bewerten. Falls dennoch
Zimmergenoss*innen in einer Landeseinrichtung oder anderen
Gemeinschaftsunterkunft in Regelbedarfsstufe 2 oder 3
eingeordnet werden sollten, sollten dagegen Rechtsmittel
eingelegt werden. Die vom Bundestag geplante "sozialrechtliche
Zwangsverpartnerung" allein stehender, aber gemeinsam wohnender
Erwachsener in Gemeinschaftsunterkünften (also Zuordnung zur RS
2) ist vom Bundesrat abgelehnt worden und somit nicht in Kraft
getreten.
- Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen auch weitere
haushaltsangehörige Erwachsene normalerweise der
Regelbedarfsstufe 1 zugeordnet werden (z. B. BSG, Urteil
vom 23. Juli 2014, B
8 SO 14/13 R). Diese Entscheidung ist auf die Systematik
des AsylbLG übertragbar. Es ist daher wohl auch im AsylbLG nicht
mehr zulässig, haushaltsangehörige Erwachsene (z. B. volljährige
Kinder) der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen, sondern sie müssen
grundsätzlich in RS 1 einsortiert werden. Die vom Bundestag
geplante ausdrückliche Zuordnung von unter 25jährigen
erwachsenen Kindern im Haushalt der Eltern zur Regelbedarfsstufe
3 ist bislang nicht in Kraft getreten, somit fehlt es einer
Rechtsgrundlage hierfür.
- Zum 1. Januar 2017 ist neu die Möglichkeit zur Verpflichtung
zum Integrationskurs für einige Leistungsberechtigte nach
AsylbLG in Kraft getreten. Dies betrifft
- Asylsuchende aus den "TOP-5-Staaten" (Syrien, Iran, Eritrea,
Irak, Somalia),
- Personen mit einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3
AufenthG (dies sind nach Auskunft der Bundesregierung lediglich
knapp zwei Prozent aller Geduldeten) sowie
- Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5
AufenthG, die noch dem AsylbLG unterliegen.
Die Möglichkeit zur Verpflichtung gilt auch für Leistungsbeziehende
nach § 2 AsylbLG. Die Verpflichtung darf jedoch nur ausgesprochen
werden an volljährige, erwerbsfähige aber nicht erwerbstätige
Personen, die nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegen. Es
wird eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG verhängt, wenn
sie sich weigern, einen "für sie zumutbaren Integrationskurs aus von
ihnen zu vertretenen Gründen aufzunehmen oder ordnungsgemäß am
Integrationskurs teilzunehmen". Es darf jedoch keine
Leistungskürzung verhängt werden, wenn:
- keine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgt
ist, oder
- sie wegen Erwerbsminderung, Krankheit, Behinderung oder
Pflegebedürftigkeit nicht zum I-Kurs in der Lage sind, oder
- sie ein der Regelaltersgrenze der gesetzlichen
Rentenversicherung (§ 35 des Sechsten Buches) entsprechendes
Lebensalter erreicht oder überschritten haben, oder
- soweit dadurch die geordnete Erziehung eines Kindes gefährdet
würde, oder
- dies wegen Pflichten durch die Führung eines Haushalts oder
die Pflege eines Angehörigen nicht zumutbar ist, oder
- die Person eine Beschäftigung auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt, eine Berufsausbildung oder ein Studium aufnimmt
oder aufgenommen hat, oder
- sie den Grund nicht zu vertreten hat (z.B.: es gibt gar keinen
freien Platz), oder
- ein anderer wichtiger Grund dargelegt und nachgewiesen wird.
Unabhängig davon widerspricht eine Leistungskürzung stets den
verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Sicherstellung eines
menschenwürdigen Existenzminimums. Für Asylsuchende ist eine
Kürzung außerdem europarechtswidrig, da Art. 20 Abs. 1 Aufnahme-RL
eine abschließende Aufzählung von Kürzungstatbeständen beinhaltet.
Die Ablehnung einer „Sonstigen Maßnahme zur Integration“ zählt
nicht dazu. Gegen eine Leistungskürzung sollten daher stets
Rechtsmittel (Widerspruch und Eilantrag beim Sozialgericht)
eingelegt werden.
Liebe Grüße
Claudius
--
Claudius Voigt
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