Liebe Kolleg*innen,

gestern ist ein Rundschreiben des Bundesarbeitsministeriums / der Bundesagentur für Arbeit erschienen, das bundeseinheitliche Regelungen zur Zuständigkeit der Jobcenter in Zusammenhang mit Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG enthält. In allen Fällen , in denen Betroffene entgegen einer Wohnsitzauflage an einen anderen Ort umgezogen sind, müssen zumindest vorläufige Leistungen analog § 43 SGB I für in der Regel sechs Wochen erbracht werden, in besonderen Fällen auch länger. Die Höhe der vorläufigen Leistungen müssen sich "an den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II orientieren".

"Normalfälle" (ab dem 1. Oktober anerkannt): Neu erteilte Aufenthaltserlaubnisse sollen ab dem 1. Oktober standardmäßig im elektronischen Aufenthaltstitel (eAT) und auf einem Beiblatt Angaben zum Bestehen einer Wohnsitzauflage enthalten. Wenn bei ab jetzt anerkannten Schutzberechtigten im Aufenthaltstitel oder auf dem Beiblatt keine Wohnsitzauflage vermerkt ist, existiert diese somit auch nicht und sie sind bundewseit freizügigkeitsberechtigt und leistungsberechtigt.

"Übergangsfälle"(zwischen dem 6. August und dem 30. September anerkannt): Falls ein SGB II-Antrag in einem anderen Bundesland gestellt wird, als in demjenigen, wo auch das Asylverfahren durchlaufen wurde, muss das Jobcenter bei der  Ausländerbehörde anfragen, ob eine Wohnsitzauflage besteht. Falls die Ausländerbehörde nicht innerhalb von vier Wochen antwortet, gilt die "Vermutung", dass keine Wohnsitzauflage besteht.

"Altfälle" (zwischen dem 1. Januar und dem 5. August anerkannt): Auch hier muss die ABH angefragt werden, wenn ein SGB-II-Antrag in einem anderen Bundesland als dem der asylrechtlichen Zuweisung gestellt wird. Die Frist für eine Antwort der ABH soll ebenfalls max. vier Wochen betragen, ansonsten gilt die Vermutung, dass keine Wohnsitzauflage existiert.

Für die Fälle, dass auch der Umzug in ein anderes Bundesland bereits vor dem 6. August 2016 erfolgt ist, haben einige Bundesländer bereits die "Rückwirkung" der Wohnsitzregelung ausgeschlossen, unserer Kenntnis nach bislang Niedersachsen und Berlin (S. 106ff); NRW zumindest "in der Regel" dann, wenn schulpflichtige oder kleinere Kinder betroffen wären oder bereits ein Integrationskurs begonnen wurde. Das BMAS verweist dabei ausdrücklich auf die Möglichkeit der Bundesländer, in den Rückwirkungsfällen eine pauschale Regelung treffen zu können, nach der "die zuständige Landesregierung die Jobcenter darüber informiert hat, dass in den Altfällen eine Rückfrage bei der zuständigen ABH nicht geboten ist" - also die Wohnistzauflage in dem jeweiligen Bundesland in Rückwirkungsfällen automatisch erloschen oder als geändert gilt.

Nach einer Bund-Länder-Besprechung vom 13. September besteht zudem unter allen Bundesländern Einigkeit, dass stets von einem Härtefall auszugehen sei, wenn jemand
"zwischen dem 1.1.2016 und 6.8.2016 (Inkrafttreten des Integrationsgesetzes) im Vertrauen auf den Fortbestand des in dieser Zeit geltenden Rechtszustands rechtmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ein anderes Bundesland verlagert hat; es wird vermutet, dass durch einen Rückumzug eine bereits begonnene Integration unterbrochen würde. Die betroffene Person unterliegt einer neuen Wohnsitzverpflichtung in dem Bundesland, in dem sie ihren Wohnsitz begründet hat."

Insofern ist vernünftigerweise davon auszugehen, dass sämtliche Bundesländer zwecks Verwaltungsvereinfachung die oben genannte Möglichkeit einer Globalentscheidung nutzen werden, nach der die Wohnsitzauflage in Altfällen und einem Umzug vor dem 6. August aus Gründen des Vertrauensschutzes, des Verhältnismäßigkeitsprinzips, des Kindeswohls usw. nicht anwendbar sein kann.

Apropos Verwaltungsvereinfachung: Das BMAS-Rundschreiben enthält ein Prüfschema für die Jobcenter, anhand dessen die Zuständigkeit im Falle einer Wohnsitzauflage ermittelt werden soll. Zur allgemeinen Belustigung findet ihr es unten.

Eine interessante Frage wäre im Übrigen, ob die Energie der Behörden, der Betroffenen und der Beratungsstellen nicht besser in die tatsächliche Förderung von Integration und Teilhabe investiert werden sollte, statt in gesetzlich vorgegebene Integrationsverhinderung in Form eines undurchschaubaren, schikanösen, entmündigenden und vermutlich rechtswidrigen Umzugsverbots?

Liebe Grüße

Claudius

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Claudius Voigt
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