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Datum: Thu, 3 Dec 2015 15:59:32 +0100
Von: Claudius Voigt <voigt(a)ggua.de>
An: liste-muensterland(a)asyl.org
Betreff: [liste-muensterland] BSG: SGB XII statt SGB II für
arbeitsuchende Unionsbürger*innen
Liebe Kolleg*innen,
das Bundessozialgericht hat heute über drei Verfahren zum
SGB-II-Anspruch für Unionsbürger*innen entschieden. Ganz kurz zusammen
gefasst:
* Deutlich wird, dass das BSG den aktuell in der Praxis bestehenden,
zu einer sozialen Verelendung führenden und verfassungsrechtlich
unhaltbaren vollständigen Leistungsausschluss (SGB II und SGB XII)
nicht akzeptiert.
* *Falls SGB-II-Leistungen ausgeschlossen sind, müssen in aller Regel
SGB-XII-Leistungen erbracht werden, und zwar "regelmäßig zumindest
in gesetzlicher Höhe"**.***
* Das BSG hält den Leistungsausschluss für arbeitsuchende
Unionsbürger*innen zwar (nach den EuGH-Entscheidungen Dano und
Alimanovic) für europarechtskonform. Der Leistungsausschluss gilt
zudem "erst Recht" für Unionsbürger*innen, die kein materielles
Aufenthaltsrecht erfüllen, da sie noch nicht einmal über ein
Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche verfügen.
* Der Vorbehalt bezüglich SGB-II-Leistungen im Rahmen des Europäischen
Fürsorgeabkommens (EFA)
<https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isches_F%C3%BCrsorgeabkommen>
ist nach Auffassung des BSG gültig. Dieser gilt jedoch nicht für
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII, so
dass Personen die dem EFA unterliegen (dies sind Bürger*innen aller
Staaten, die bereits vor dem Jahr 2004 der Europäischen Union
angehört haben, außer Österreich und Finnland, unterzeichnet, sowie
Estland, Malta, die Türkei, Island und Norwegen), Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB XII (außer § 67ff SGB XII) besitzen, wenn
sie sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und dem Grunde nach von
SGB-II-Leistungen ausgeschlossen sind (zum Beispiel, weil sich ihr
Aufenthaltsrecht aus der Arbeitsuche ergibt). Die Tatsache, dass sie
gesundheitlich erwerbsfähig sind, steht dem nicht entegegen.
* Für Personen, die nicht dem EFA unterliegen, muss bei einem
SGB-II-Ausschluss im Rahmen des Ermessens über SGB-XII-Leistungen
entschieden werden. "Im Falle eines verfestigten Aufenthalts - über
sechs Monate - ist dieses Ermessen jedoch aus Gründen der Systematik
des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des
BVerfG in dem Sinne auf Null reduziert, dass regelmäßig zumindest
Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist."
Die Tatsache, dass sie gesundheitlich erwerbsfähig sind, steht dem
nicht entegegen.
* Der beim Jobcenter gestellte Antrag muss im Falle einer Ablehnung
von Amts wegen an das dann zuständige Sozialamt weiter geleitet
werden (§ 16 SGB I)
<http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_1/__16.html>, es besteht
Anspruch auf Leistungen ab dem Zeitpunkt, an dem der Antrag beim
Jobcenter eingegangen ist.
* Zudem ist stets zu prüfen, ob tatsächlich allen ein Aufenthaltsrecht
zur Arbeitsuche besteht, oder andere, davon unabhängige
Aufenthaltsrechte (fiktiv) vorliegen. Dazu gehört nach Auffassung
des BSG auch das eigenständige Aufenthaltsrecht von Kindern, die
hier zur Schule gehen, wenn einer ihrer EU-angehörigen Eltern
aktuell arbeitet oder früher einmal gearbeitet hat - unabhängig
davon, wie lange diese Arbeit her ist. Die Kinder haben in diesem
Fall ein Aufenthaltsrecht bis zum Abschluss einer Ausbildung. Die
Eltern haben dann ebenfalls ein Aufenthaltsrecht zur Personensorge
(Art 10 VO (EU) 492/2011)
<http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:141:0001:00…>
. In diesem Fall ist der SGB II-Ausschluss nicht anwendbar.
Unten der Terminbericht:
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Geri…
Liebe Grüße
Claudius
2) Die Revision des Beklagten war im Sinne der Aufhebung und
Zurückverweisung begründet. Die bisher getroffenen Feststellungen des
LSG lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Kläger
in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 einen
Anspruch auf SGB II-Leistungen hatte.
Zwar sind die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erfüllt; es fehlen
aber Feststellungen zu den Voraussetzungen der Ausschlussregelung des §
7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Nach der Rechtsprechung der für die
Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG hindert
das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem
FreizügG/EU oder den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes sozialrechtlich
die für einen Leistungsausschluss notwendige positive Feststellung
eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche". Über
den Wortlaut der genannten Regelung hinaus sind diejenigen Unionsbürger
"Erst-Recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II auszunehmen, die über keine materielle
Freizügigkeitsberechtigung oder kein Aufenthaltsrecht verfügen. Ein
solcher Leistungsausschluss ist nach den Entscheidungen des EuGH in den
Sachen "Dano" und "Alimanovic" auch europarechtskonform. Die demnach
erforderliche Prüfung der bei dem Kläger ‑ ggf neben einem im
streitigen Zeitraum noch vorhandenen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche ‑
möglichen anderen Aufenthaltsrechte nach dem FreizügG/EU hat das LSG
nicht vorgenommen. Schon aus diesem Grund kann der Senat nicht
abschließend entscheiden, weil nicht auszuschließen ist, dass der
Kläger über andere Aufenthaltsrechte, insbesondere ‑ ausgehend von
einem festgestellten vorangegangenen Aufenthalt im Bundesgebiet ‑ über
ein Daueraufenthaltsrecht verfügte.
Diese Feststellungen zu einem möglichen SGB II-Anspruch sind auch nicht
deshalb entbehrlich, *weil sich der Kläger insofern - unbesehen der
sonstigen Voraussetzungen - weiterhin auf das Gleichbehandlungsgebot
des Art 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens berufen könnte. Dem steht
der von der Bundesregierung am 19.12.2011 erklärte Vorbehalt nach Art
16 Abs b EFA entgegen, der formell und materiell wirksam ist.
Allerdings bleiben Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
Dritten Kapitel des SGB XII weiterhin möglich und sind vom
Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA umfasst.*
Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis,
dass der Kläger von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war, wird
es ‑ nach Beiladung des Sozialhilfeträger ‑ daher über einen Anspruch
des Klägers auf existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel
des SGB XII entscheiden müssen. *Der Kläger könnte
Sozialhilfeleistungen nach dem EFA beanspruchen, wenn er sich im
streitigen Zeitraum weiterhin auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche
berufen konnte. Da die Bundesregierung bezogen auf die Vorschriften der
Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII keinen Vorbehalt erklärt
hat, sind Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt
im Wege einer Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen zu
erbringen. Die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII
findet dann von vornherein keine Anwendung. Diese Gleichbehandlung
erfordert einen erlaubten Aufenthalt des Staatsangehörigen aus einem
Vertragsstaat des EFA-Angehörigen im Inland, der jedenfalls bei einem
Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gegeben wäre.* *Bei einer fehlenden
Freizügigkeitsberechtigung des Klägers im streitigen Zeitraum wären
Leistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII zu erbringen (vgl nachfolgend
Fall 3).*
SG Frankfurt - S 24 AS 246/13 -
Hessisches LSG - L 7 AS 474/13 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 59/13 R -
3) Die Revision des Beklagten hatte im Sinne der Änderung des
Urteils des LSG Erfolg. Nicht er hat den Klägern Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Recht der Grundsicherung für
Arbeitsuchende im streitigen Zeitraum zu erbringen, *sondern die
Beigeladene ist nach den Vorschriften des SGB XII verpflichtet, ihre
Existenzsicherung im streitigen Zeitraum zu gewährleisten. *Die Kläger
unterfallen dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Die
Kläger verfügten zwar nicht über ein Aufenthaltsrecht allein zur
Arbeitsuche im Sinne dieser Vorschrift. Sie sind jedoch gleichwohl von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat es planwidrig unterlassen, auch
diejenigen ausdrücklich von den Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II auszuschließen, die über keine
materielle Freizügigkeitsberechtigung oder kein Aufenthaltsrecht in
Deutschland verfügen. Sie sind nach der Entstehungsgeschichte der
Ausschlussregelung, ihrem systematischen Zusammenhang und der
teleologischen Bedeutung der benannten Vorschrift "Erst-Recht" von
diesen Leistungen ausgeschlossen. Den Klägern stand keine materielle
Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein anderes
Aufenthaltsrecht zur Seite. Sie waren insbesondere nicht als
Arbeitnehmer, Selbstständige oder wegen der nachgehenden
Statuserhaltung bzw als deren Familienangehörige
freizügigkeitsberechtigt. Dem steht nicht entgegen, dass sie im Besitz
einer Freizügigkeitsbescheinigung/EU waren. Diese begründet kein
materielles Freizügigkeitsrecht. Der Leistungsausschluss ist nach den
Entscheidungen des EuGH in den Sachen "Dano" und "Alimanovic" auch
europarechtskonform.
*Die Kläger haben jedoch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem 3. Kapitel des SGB XII nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII gegen die
Beigeladene. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene im
streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit der
Kläger hatte. Die Beigeladene muss sich hier die Kenntnis des Beklagten
zurechnen lassen. **Ebenso wenig führt die "gesundheitlich" bestehende
Erwerbsfähigkeit der Kläger zu 1) und 2) nach § 21 SGB XII zu einem
Ausschluss von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Sie sind als
nach dem SGB II Ausgeschlossene bei Hilfebedürftigkeit dem System des
SGB XII zugewiesen.* Zwar waren die Kläger wegen der fehlenden
Freizügigkeitsberechtigung aufgrund des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII
auch von einem Rechtsanspruch auf die Leistungen nach § 23 Abs 1 S 1
SGB XII ausgeschlossen. Diesem Personenkreis sind jedoch Leistungen
nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII im Ermessenswege zu erbringen. *Insoweit
schließt sich der erkennende Senat ‑ vor dem Hintergrund der
Rechtsprechung des BVerfG zu einem Anspruch auf Gewährleistung der
Existenzsicherung aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG ‑ der des BVerwG
zu der Vorgängervorschrift des § 120 BSHG an.***Nach der hier
anwendbaren Vorschrift des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII kann Sozialhilfe
geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die
Regelung räumt dem Sozialhilfeträger dem Grunde und der Höhe nach auf
der Rechtsfolgenseite Ermessen ein. *Im Falle eines verfestigten
Aufenthalts - über sechs Monate - ist dieses Ermessen jedoch aus
Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der
verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG in dem Sinne auf Null
reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in
gesetzlicher Höhe zu erbringen ist.* So ist es auch im vorliegenden
Fall, denn die Kläger haben sich im streitigen Zeitraum bereits mehr
als zwei Jahre in Deutschland aufgehalten. Soweit der Beklagte bereits
aufgrund der Verpflichtung durch das LSG im vorläufigen Rechtsschutz
Leistungen erbracht hat, findet § 107 SGB X Anwendung.
SG Gelsenkirchen - S 31 AS 47/11 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 19 AS 129/13 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 44/15 R -
4) Die Sprungrevision des Beklagten führte zur Aufhebung und
Zurückverweisung an das LSG. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der
Bescheid, mit dem der Beklagte die Bewilligungen von SGB II-Leistungen
für die Kläger für den Monat Mai 2012 aufgehoben hat. Ob die Aufhebung
der Bewilligungen mit Wirkung für die Zukunft rechtmäßig ist, kann der
Senat mangels ausreichender Feststellungen des SG nicht abschließend
beurteilen. Zwar erfüllten sämtliche Kläger im gesamten
Bewilligungszeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für Alg II bzw
Sozialgeld. Der auf die Klägerinnen zu 1) und 2) mit einem vom SG
allein festgestellten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche anwendbare
Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II stand ihrem Anspruch
bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 9.12.2011 nicht entgegen.
Dieser wurde jedenfalls zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung durch
das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens
verdrängt. Insofern ist aber eine iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X
wesentliche Änderung durch den von der Bundesregierung am 19.12.2011
erklärten Vorbehalt zum EFA eingetreten. Dieser ist formell und
materiell wirksam. Der Leistungsausschluss ist nach der Entscheidung
des EuGH in dieser Sache zudem europarechtskonform.
Auf dieser Grundlage wird das LSG bisher nicht getroffene
Feststellungen zu möglichen anderen Aufenthaltsrechten der Klägerinnen
zu 1) und 2) im Monat Mai 2012 vornehmen müssen. Für beide kann sich
ein anderes Aufenthaltsrecht im sozialrechtlichen Sinne des § 7 Abs 1 S
2 Nr 2 SGB II auch aus einem - bei der Klägerin zu 2) - eigenständigen
oder ‑ im Falle der Klägerin zu 1) ‑ "abgeleiteten Aufenthaltsrecht"
nach Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 ergeben. Dies würde wegen der
Nichtanwendbarkeit des Leistungsausschlusses zu einer
Leistungsberechtigung der Klägerin zu 1) und damit auch zu einem weiter
bestehenden Anspruch der Kläger zu 3) und 4) auf Sozialgeld führen.
Eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X läge dann nicht
vor. Art 10 VO (EU) 492/2011 übernimmt inhaltsgleich die vormalige
Regelung des Art 12 Abs 1 VO (EWG) 1612/68. Hiernach können Kinder
eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet
eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen
ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den
gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am
allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung
teilnehmen. Dieses historisch ausschließlich an die
Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Schaffung bestmöglicher Bedingungen
für die Integration der Familie des Wanderarbeitnehmers im
Aufnahmemitgliedstaat anknüpfende Recht impliziert nach der
Rechtsprechung des EuGH zunächst ein Aufenthaltsrecht für diese Kinder.
Ein solches besteht, solange sie tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat
in das Schulsystem eingegliedert sind oder eine Ausbildung
abschließen.*Soweit und solange diese Kinder eines Arbeitnehmers oder
ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung ihrer Ausbildungsrechte
aus Art 10 VO (EU) 492/2011 weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge
des Elternteils bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen
zu können, besteht in gleicher Weise für diesen Elternteil, der die
elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein abgeleitetes
Recht auf Aufenthalt. Diese Aufenthaltsrechte bestehen nach der
Rechtsprechung des EuGH unabhängig von den in der RL 2004/38/EG
festgelegten Voraussetzungen, was durch Art 12 Abs 3 RL dieser
Richtlinie bzw § 3 Abs 4 FreizügG/EU bestätigt wird.*
Näher zu prüfen ist daher, welchen Umfang und Charakter die vom SG
angesprochenen "Arbeitszeiten" der Klägerin zu 1) im Bundesgebiet
hatten und ob es sich hierbei um Beschäftigungen iS von Art 10 der VO
(EG) 492/2011 gehandelt hat. Schließlich ist festzustellen, ob die
Kinder im Mai 2012 weiterhin tatsächlich eine Schulausbildung oder
Ausbildung wahrgenommen haben. Bezogen auf die Klägerin zu 2) erscheint
auch ein Aufenthaltsrecht aus einer Freizügigkeitsberechtigung ihres
Vaters nicht ausgeschlossen.
SG Berlin - S 55 AS 18011/12 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 43/15 R -
--
Claudius Voigt
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